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Darum ist die Kooperation zwischen gemeinnützigen Organisationen und Unternehmen so wertvoll
Dr. Reinhard Lang
Wir leben in einer Übergangszeit. „Alle wirklich großen Herausforderungen, mit denen wir uns heute konfrontiert sehen, wie Sicherheit, Gesundheit, Beschäftigungsfähigkeit, Klimawandel, Integration, demografischer Wandel, Wachstum, Bildung und viele andere, sind mittlerweile viel zu komplex, als dass sie sich noch angemessen mit der hergebrachten Arbeitsteilung und im Rahmen von getrennten sachlichen Zuständigkeiten bewältigen ließen,“ schrieb Frank Trümper in der startsocial Abschlussdokumentation 2009 (S. 84).
Und Stephan A. Jansen weist darauf hin, dass erfolgreiche technische Lösungen zur Bearbeitung von Krisenphänomenen immer auch neue soziale, wirtschaftliche, kulturelle, politische Rahmenbedingungen, Praktiken, Bearbeitungs- und Organisationsformen nach sich ziehen und der Punkt erreicht sei, dass „die internationale Wettbewerbsfähigkeit vermutlich nicht länger durch Technik- und Produktinnovationen entschieden (wird), sondern durch … soziale Innovationen“ (in brand eins 04/2012, S.122-123: Das postasoziale Management).
Vor diesem Hintergrund gewinnen auch neue soziale Kooperationen zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, engagierten Unternehmen und der öffentlichen Verwaltung eine weitreichendere Bedeutung: Hier wird – eingebettet in den Alltag und anhand konkreter praktischer Herausforderungen – eine neue Balance von Staat, Wirtschaft und Zivilgesellschaft jenseits der traditionellen Zuständigkeiten mit veränderten Rollen und Aufgaben bei der Bearbeitung gesellschaftlicher Probleme entwickelt und im Sinne eines übergreifenden gemeinsamen Interesses am Gemeinwohl erprobt. Jedes Kooperationsprojekt – wenn es über die traditionelle Spenden- und Sponsoring-Praxis hinaus geht – trägt den Keim einer neuen Problemlösung in sich und vermittelt im Alltag verankerte praktische Erfahrungen der beteiligten Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen mit dieser neuen „Verantwortungsteilung“ und den dazugehörigen sozialen und kulturellen Praktiken. Kooperation und Praxis – im Tun und praktischen Impulsen liegt demnach einer der Schlüssel für die Verbreitung und Vertiefung dieser „sozialen Innovation“.
Und in der Tat: Immer mehr Unternehmen – und das gilt insbesondere für die in ihrer Region verwurzelten mittelständischen Unternehmen – erkennen, dass sie nur in einem funktionierenden Gemeinwesen auch gute Geschäfte machen können und die Gestaltung der sogenannten weichen Standortfaktoren von einiger Bedeutung für eine positive Unternehmensentwicklung auch in den harten Bereichen ist. Bildung und Fachkräftemangel, Familie und Beruf, Toleranz, Integration und sozialer Zusammenhalt, adäquate soziale und kulturelle Infrastrukturen, eine intakte Umwelt, Engagement und Eigeninitiative – hier geht es nicht mehr um Wohltätigkeit oder Image. Das Eigeninteresse von Unternehmen an Veränderung in diesen und anderen Bereichen ist groß, gesellschaftliches Engagement soll „einen Unterschied machen“. Selbst wenn oft noch ein Missverhältnis zwischen den Zielformulierungen und den tatsächlichen Investitionen von Unternehmen in solche neuen Kooperationen mit gemeinnützigen Partnern zu konstatieren ist, die Richtung ist dennoch klar: Neben den Nutzen für das Unternehmen in den Bereichen Personal oder Kommunikation tritt als mindestens ebenso wichtiges Kriterium der wirksame Beitrag zur gesellschaftlichen Problemlösung in einem Feld, das für ein Unternehmen jeweils relevant ist. Damit werden engagierte Unternehmen von passiven Spendern und Sponsoren mehr und mehr zu Akteuren im Gemeinwesen, die nicht in erster Linie aus moralischen, sondern aus jeweils eigenen unternehmensbezogenen Motiven aktiv werden und ihre Umfeldbedingungen mitgestalten wollen.
Auf der „anderen Seite“, bei zivilgesellschaftlichen Organisationen und der öffentlichen Verwaltung ist dafür jedoch ein Perspektivwechsel erforderlich: Unternehmen, die sich im beschriebenen Sinne engagieren und den genannten Unterschied machen wollen, brauchen kompetente Partner: Gemeinnützige Organisationen sind die Experten im Gemeinwesen für Bildung, Soziales, Sport, Kultur, Ehrenamt und Umwelt. Ihre Einrichtungen und Dienstleistungen bilden die soziale und kulturelle Infrastruktur, in der das „Soziale Kapital“ entsteht, das eine Gesellschaft zusammenhält. Bislang steht für sie jedoch vor allem die Frage nach zusätzlichen (finanziellen) Ressourcen im Mittelpunkt. Unternehmenskooperation wird verstanden als Fundraisinginstrument, dies bestimmt ihr Verhältnis zu den Unternehmen. Das reicht jedoch nicht mehr aus, um interessante Kooperationspartner aus der Wirtschaft als Unterstützer, Fürsprecher und Partner mit zusätzlichen Ressourcen, Kompetenzen und Kontakten zur Steigerung der Reichweite und Wirksamkeit von Projekten und Leistungen zu gewinnen.
Wie einst für die Integration von Freiwilligen müssen Nonprofit-Organisationen zunächst eigene Vorstellungen entwickeln über ihre Ziele und den Nutzen der Kooperation mit Unternehmen für ihre Adressaten, für ihre Organisation selbst und schließlich auch für die Gemeinwesen- bzw. Standortentwicklung insgesamt. Nachdem CSR, Corporate Citizenship und Corporate Volunteering auch für mittelständische Unternehmen keine Fremdworte mehr sind, besteht die aktuelle Herausforderung auf Seiten ihrer „geborenen“ Partner im Gemeinwesen darin, eine fachliche Perspektive für die Kooperation zu entwickeln. Dafür gibt es folgende Ansatzpunkte:
- Innovationen im Sinne fachlich sinnvoller Ergänzungen ihres Leistungsangebots für ihre Adressaten, in denen die Beziehungsqualität der Menschen aus unterschiedlichen Lebenswelten wirksam wird und z.B. durch den direkten Kontakt zwischen Unternehmen, Organisationen, Unternehmensmitarbeiter:innen und Adressaten neue Räume für informelles Lernen eröffnet werden (adressaten-orientierte Kooperationen – exemplarisch in Mentoring- und Patenschaftsprojekten).
- Kompetenz-orientierte Kooperationen zur Gewinnung von Know-how, das die Weiterentwicklung von Organisationsaufgaben und -strukturen unterstützt und das Handlungsvermögen gemeinnütziger Organisationen erhöht („capacity building“), ihre ideellen Aufgaben besser zu bewältigen: Als Pro-Bono-Leistung (Unternehmen als kostenloser Dienstleister), als Know-how Transfer (Unternehmen als Coach) oder zur Entwicklung einer Innovation (Unternehmen als Entwicklungspartner).
- Auch für die Gewinnung wichtiger Fürsprecher und Partner für die Kommunikation ideeller Anliegen ebenso wie für die Aktivierung neuer „Spieler“, die sich für gemeinsame Belange regionaler Entwicklung stark machen und in Partizipationsprozesse einbringen.
Nur so ist es möglich, mehr und wirksamere Kooperationen zu entwickeln, die Unternehmen zu qualifizierteren Anstrengungen „herauszufordern“, Kooperationsbeziehungen souverän und mit dem Blick auf verallgemeinerbare Lösungen zu gestalten – und die viel beschworene win-win-Situation oder die „gleiche Augenhöhe“ tatsächlich herzustellen (viele Praxisinfos auf https://www.upj.de/wissen).
Mit anderen Worten: Auch Organisationen und die öffentliche Verwaltung sollten die Kooperation mit engagierten Unternehmen als strategisches Instrument betrachten, mit dem ideelle Ziele besser erreicht und die Problemlösungskompetenz vor Ort erweitert werden können. In der Umsetzung heißt das, ein Unternehmen mit seinem jeweils spezifischen Interesse an Veränderungen im Umfeld und mit dem, was gerade dieses Unternehmen mit seinen jeweiligen Ressourcen und Kompetenzen sinnvoll beitragen kann, so einzubinden, dass für Adressaten, die Organisation und im Gemeinwesen ein „Mehr“ entsteht, das sonst nicht, nicht zu diesem Zeitpunkt oder nicht so gut zu erreichen wäre. Eine solche fachliche Basis ist die Voraussetzung, damit neue soziale Kooperationen zwischen Unternehmen und Nonprofit-Organisationen ihr institutionelles und praktisches Innovations-Potenzial entfalten können.
Der Artikel erschien zuerst 2012 und wurde 2022 aktualisiert.
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