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Wie kommen wir mit unserem sozialen Projekt ins Fernsehen?

Johannes Büchs

Sind Sie sich überhaupt sicher, dass Sie und Ihr Projekt oder Verein ins Fernsehen wollen? Dieses Medium hat seine Tücken, und die darf man nicht unterschätzen. Damit Sie wissen, worauf Sie sich einlassen, vorweg ein Warnhinweis zu den Risiken und Nebenwirkungen.

Hintergrund – Regeln und Risiken des Mediums

Für Fernsehmacher ist das höchste Gut die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Wenn dieser nicht mehr interessiert ist, dann schaltet er um oder ab. Das versuchen Fernsehmacher um jeden Preis zu verhindern. Deshalb sind Fernsehbeiträge möglichst kurzweilig. Ein durchschnittlicher Magazinbeitrag dauert heute ca. drei Minuten. Hier schlummert das erste Risiko für Sie: Probieren Sie einmal, alles Interessante zu Ihrem Projekt oder Verein in drei Minuten zu erzählen – Sie werden feststellen, wie schwer das ist.

Kurzweiligkeit alleine reicht nicht aus, um das Interesse der Zuschauer zu gewinnen. Deshalb berichten Fernsehmacher immer weniger, sie erzählen! Sie versuchen ihre Beiträge – die intern auch Geschichten genannt werden – spannend zu machen. Dafür gibt es Regeln der Dramaturgie, und Sie können sicher sein, dass ein Fernsehmacher diese dramaturgischen Regeln einem jeden Beitrag überstülpen wird. Das muss nicht schlecht sein, aber sie sollten sich darauf vorbereiten bzw. dies ausnutzen.

Das letzte Risiko, das hier erwähnt werden soll, ist die Machtlosigkeit, die Sie spüren werden, wenn jemand anderes einen Film über Sie, ein Ihnen wichtiges Projekt oder Ihren Verein macht. Glauben Sie nicht, dass ein Fernsehbeitrag unbedingt unbezahlte Werbung ist oder dass Sie den Tenor eines Beitrags bestimmen können – auch wenn es Möglichkeiten gibt, diesen zu beeinflussen. Damit erst einmal genug der Warnung und zurück zu der Frage: Wie kommen Sie ins Fernsehen?

Fernsehredaktion – Struktur und Arbeitsweise

Die Standardantwort darauf heißt: mit einer Pressemitteilung. Aber ganz ehrlich: Dieses Mittel ist in den meisten Fällen nicht sehr effektiv. Vielversprechender erscheint ein anderer Weg. Doch dafür bedarf es zuerst einiger Gedanken über die Struktur einer Fernsehredaktion.

In den meisten Fernsehredaktionen gibt es zwei unterschiedliche Arten von Journalisten. Die einen sind Redakteure, die anderen Autoren. Der Unterschied zwischen ihnen ist, dass Erstere die Verantwortung für eine Sendung tragen: Sie wählen die Themen der Sendung aus, geben Beiträge in Auftrag und nehmen sie auch ab, also kontrollieren ihre Qualität. Die Autoren wiederum machen Beiträge. In den meisten Redaktionen sind die Redakteure beim Sender fest angestellt und bekommen ein festes Gehalt, während die Autoren freie Mitarbeiter sind und pro Film bezahlt werden.

Redakteure und Autoren halten in regelmäßigen Abständen Themenkonferenzen ab. In diesen kann jeder Themen für die Sendung vorschlagen. Wenn ein Autor ein Thema präsentiert, das die Redakteure in der Sendung haben möchten, dann wird er es auch umsetzen dürfen und damit Geld verdienen. Schlägt der Autor keine Themen vor oder nur solche, die die Redakteure nicht für interessant halten, geht er unter Umständen leer aus. Das heißt: Ein Autor hat ein eigenes Interesse, Themen in der oben genannten Themenkonferenz besonders gut zu „verkaufen“ und sie dann auch umzusetzen, um Geld zu verdienen.

Deshalb gehen Sie am besten mit Ihrem Thema gezielt auf Autoren zu. So können sie in einer Redaktion einen Anwalt gewinnen, der sich für Ihr Thema einsetzt. Das ist der sicherste Weg, um ins Fernsehen zu kommen.

Bleibt die Frage: Wie kommen Sie an diesen Autor? Das verlangt etwas Aufmerksamkeit. Legen Sie sich einfach ab heute einen Stift und einen Zettel in die Nähe des Fernsehers. Entweder in der Anmoderation eines Beitrags oder in einer Einblendung zu Anfang oder am Ende wird in der Regel der Autor namentlich benannt. Wenn Ihnen ein Beitrag – vielleicht einer über ein soziales, kulturelles oder gemeinnütziges Thema – besonders gut gefallen hat, dann schreiben Sie sich den Namen des Autors auf. Wird er nicht genannt oder gezeigt, oder haben Sie ihn verpasst, dann rufen Sie den Sender an, lassen sich den Namen geben oder fragen nach einem Kontakt. Wenn möglich, lassen Sie sich sofort mit ihm verbinden oder rufen Sie ihn später direkt an. Sagen Sie ihm, wie sehr Ihnen sein Beitrag gefallen hat. Und fragen sie ihn dann, ob er sich vielleicht für ein anderes Thema – besser für eine andere Geschichte interessiert, und zwar für Ihre und die Ihres Vereins oder Projekts.

Was macht Ihr Projekt interessant? Eine Geschichte zum Mitfühlen

Und damit kommen wir gleich zur nächsten Frage. Nämlich: Wie machen Sie Ihr Thema bzw. Ihre Geschichte für einen Autor möglichst interessant?

Zuschauer sind beim Fernsehen kaum nur reine Betrachter, sie fühlen mit. Der bessere Name für sie wäre deshalb: Mitfühler. Dieses Mitfühlen versuchen Fernsehmacher anzuregen und schaffen das mit einem dramaturgischen Kniff. Fast jede gute Geschichte besteht bei ihnen aus einer Hauptperson, einer Herausforderung und einer Veränderung. Die beste Hauptperson ist diejenige, die die größte Herausforderung zu meistern hat. Je größer diese ist, desto mehr fühlt der Zuschauer mit dem Menschen mit.

Möchten Sie also einem Fernsehmacher einen Beitrag über Ihr Projekt schmackhaft machen, dann müssen Sie Ihre Geschichte entsprechend aufbereiten – Hauptperson, große Herausforderung und Veränderung sollten nicht fehlen.

Lassen Sie uns das an einem Beispiel veranschaulichen: Ein Verein vermittelt Paten für türkischstämmige Kinder. Die Paten treffen sich regelmäßig mit „ihrem“ Kind, helfen ihm, Deutsch zu lernen, in der Schule und Gesellschaft zurechtzukommen, und unternehmen gemeinsam etwas. Ihr Ziel ist es, mit einem Fernsehbeitrag neue Paten für Ihren Verein zu gewinnen.

Sie können jetzt alles Wissenswerte, wie z.B. Gründungsdatum, Mitgliederzahl und Aktivitäten zusammenfassen und versuchen, vielleicht mit einer Pressemitteilung, Fernsehredaktionen zu einem Beitrag zu animieren. Davon rate ich Ihnen ab. Erzählen Sie lieber eine Geschichte aus Ihrem Verein und bieten die einem Autor an. Eine solche Geschichte könnte sein:

Ein türkischer Junge hat große Probleme in der Schule. Er musste eine Klasse wiederholen, spricht schlecht Deutsch und hat keine Freunde. Aber Ihr Verein hat ihm einen Paten vermittelt, der sich rührend um den Jungen kümmert. Jede Woche treffen sich die beiden. Der Pate hilft ihm bei den Hausaufgaben, liest mit ihm seine eigenen alten Jugendbücher, trifft seine Eltern und Lehrer. Am Ende erreicht er, dass der Junge wieder besser in der Schule wird. Dieser schafft die Versetzung, spricht immer besser Deutsch und spielt dadurch auch mehr mit anderen Kindern. Das einzige aktuelle Problem ist, und so darf die Geschichte ruhig enden: Der zwei Jahre jüngere Bruder des Jungen hat mittlerweile die gleichen Probleme wie sein großer Bruder früher. Aber leider fehlt dem Verein ein geeigneter Pate. Es ist niemand zu finden, der dem Bruder helfen könnte …

Noch ein Trick zum Schluss: Versuchen Sie einen Termin zu finden, der zu Ihrem Thema passt. Vielleicht stehen gerade eine Themenwoche zum Ehrenamt, ein Integrationstag oder ein Jahrestag an (z.B.: Vor 60 Jahren kam der erste Gastarbeiter nach Deutschland). So ein Anlass ist ein weiteres Verkaufsargument für den Autor, der in der Themenkonferenz später Ihre Geschichte den Kollegen schmackhaft machen muss.

In jedem Fall erhöhen die persönliche Ansprache eines Autors und die Vorbereitung einer Geschichte nach den oben erwähnten Regeln die Chance, dass Sie mit Ihrem Thema ins Fernsehen kommen. Ist das der Fall, dann wird der Autor des Beitrags jemand sein, den Sie ausgewählt haben! Dieser Journalist hat Sie schon einmal mit seiner Arbeit überzeugt. Damit ist die Chance sehr viel größer, dass auch der Beitrag in Ihrem Sinne gestaltet wird!

Kurz zusammengefasst noch einmal die fünf wichtigsten Punkte:

  • Fragen Sie sich zuerst, welches Ziel Sie mit einem Fernsehbeitrag erreichen wollen (z.B. zu Spenden aufrufen, Mithelfer suchen, in einer neuen Stadt mit Ihrem Projekt Fuß fassen).
  • Suchen Sie nach Geschichten aus Ihrem Verein/Projekt, die nach dem Prinzip Hauptperson – Herausforderung – Veränderung funktionieren.
  • Legen Sie sich einen Stift und Papier neben den Fernseher. Wenn Sie Beiträge sehen, die Ihnen gut gefallen haben, dann notieren Sie sich die Namen der Fernsehautoren, Sender und Sendung.
  • Kontaktieren Sie über den Sender die Autoren und fragen Sie diese, ob Sie ihnen eine Geschichte vorschlagen dürfen.
  • Nutzen Sie Termine! Z.B. den Tag des Ehrenamts, eine Debatte im Bundestag zum Thema Integration, einen Jahrestag oder einen anderen Anlass, der zu Ihrem Verein/Projekt einen Bezug hat.

Ich wünsche Ihnen bei Ihrer Arbeit viel Erfolg!

Zum Autor

Johannes Büchs

Johannes Büchs absolvierte nach dem Studium (M.A. Informationswissenschaft) ein Volontariat beim NDR, arbeitete als Autor für die Satiresendung „extra 3“ und moderierte bis 2017 die gesellschaftspolitische Kinder- und Jugendsendung „neuneinhalb“ im Ersten. Er moderiert die Sendung „Kann es Johannes?“ im KiKA und ist als Autor und Moderator für die „Sendung mit der Maus“ im Einsatz. 2012 wurde Johannes Büchs für den Grimme-Preis nominiert und 2013 mit dem DGE-Journalistenpreis ausgezeichnet. 2014 erhielt er den UmweltMedienpreis und das Format „Kann es Johannes?“ den Goldenen Spatz. 2015 wurde dieses Format zudem für den Sonderpreis Kultur im Rahmen des Grimme-Preises nominiert. Johannes Büchs absolvierte bei der ARD.ZDF Medienakademie die train-the-trainer Module und arbeitet seitdem als Executive Trainer im Bereich Medientraining, Keynote Coaching und Präsentieren mit Storytelling. Daneben hatte er bis 2017 einen Lehrauftrag an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen.

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