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Tipps für das Marketing von Non-Profits aus der Praxis

Ute Vöcking

Woran denken Sie, wenn Sie den Begriff „Marketing“ hören? Vielleicht an Hochglanzbroschüren, aufwendige Events, „pfiffige“ Slogans oder an junge Promotion-Teams in der Fußgängerzone. Vielleicht denken Sie auch an die Kosten (zu hoch!) oder das Image von Marketingfachleuten (oberflächlich?).

Haben Sie ähnliche Assoziationen, so hegen Sie möglicherweise eine gewisse Abneigung, sich bei der Planung Ihres Projekts mit dem Thema Marketing auseinanderzusetzen. Schade, denn so verlieren Sie vielleicht einige Chancen, Ihrem Projekt oder Verein nachhaltigen Erfolg zu sichern. Denn beim Marketing dreht sich nicht alles ums schlichte „Verkaufen“, sondern darum, im Markt zu bestehen. Das ist nicht nur für Profit-Unternehmen von zentraler Bedeutung, sondern auch für Non-Profit-Organisationen (NPOs).

Die Herausforderungen für NPOs in Deutschland sind vielfältig: In der Regel haben Organisationen nur geringe personelle und finanzielle Ressourcen, immer weniger staatliche Mittel stehen zur Verfügung, die Konkurrenz um Spendengelder wird immer größer und etwa 95% der NPOs sind nur lokal oder regional aktiv, d.h. die potenzielle Basis an Unterstützerinnen und Unterstützern ist recht überschaubar.

Wie kann man es trotzdem schaffen, erfolgreich zu sein? Was gehört dazu, ein Projekt oder einen Verein zu starten und nachhaltig aufzubauen? Welche Erfolgskriterien sind zu beachten? Und welche Rolle spielt das Marketing dabei?

„Warum kann man Nächstenliebe nicht wie Seife verkaufen?“

Viele sagen: „Man kann!“ und verweisen z.B. auf das zentrale Anliegen des Marketings, nämlich die eindeutige Ausrichtung auf die Kundschaft bzw. für NPOs die Nutzerinnen und Nutzer der Leistungen, Spenderinnen und Unterstützer. Es heißt nicht: „Wir haben ein tolles Angebot, das du kaufen oder unterstützen musst“. Sondern zunächst wird gefragt „Was interessiert unsere Zielgruppen? Was brauchen sie?“, um dann ein passendes Angebot zu entwickeln oder das bestehende Angebot darauf abzustimmen.

Auf der anderen Seite existieren grundsätzliche Unterschiede zwischen Organisationen und Unternehmen: in den Zielen, der Arbeitsweise, der Kultur und vor allem in ihren Angeboten. NPOs bieten eben Angebote nicht nur für Kundinnen und Kunden, sondern auch für Spender, Unterstützerinnen, Ehrenamtliche. Und weil man Nächstenliebe eben doch nicht wie Seife verkaufen kann, gibt es das Sozialmarketing, das beantworten will, wie gesellschaftliche Anliegen an den Mann und die Frau gebracht werden können. „Sozial“ ist hier als „Gesellschaft“ zu übersetzen und deshalb gehören z.B. auch ökologische Themen hierzu. Mittlerweile gibt es als Ableger auch ökologisches Marketing und andere „Bindestrich“-Marketingformen, die eine speziellere Fokussierung versprechen.

Was ist Sozialmarketing also genau? Es ist mehr als der Versand eines Mailings, das Aufstellen einer Spendendose oder die Aktivierung von Mitgliedern zu einer bestimmten Aktion. Sozialmarketing ist eine ganzheitliche Führungsaufgabe, die sicherstellt, dass das eigene Angebot die Bedürfnisse der Zielgruppen trifft. Das zielgerichtete Management von Beziehungen zu unterschiedlichen Anspruchsgruppen (Stakeholdern) ist hierbei besonders wichtig. Ein Beispiel aus der Praxis: Für ein Projekt, das sich für die Leseförderung bei „Risikoschülern“ einsetzt, sind Eltern, Lehrende und Ausbildende, ehrenamtliche Mentorinnen und Mentoren, die Bildungspolitik, aber z.B. auch Buchverlage Stakeholder. Deshalb spielt die Kommunikation auch die Hauptrolle im Sozialmarketing: sei es im persönlichen Kontakt oder durch die Massenmedien.

Eine Marketingkonzeption erarbeiten – wie gehe ich vor?

Vielleicht haben Sie bereits einen Businessplan entworfen? Dann können Sie sicher viele Informationen daraus in Ihre Marketingstrategie einfließen lassen.

1. Das Leitbild erarbeiten
Im Leitbild werden das Selbstverständnis und die Grundprinzipien einer Organisation deutlich. Es formuliert einen Zielzustand, der nach innen Orientierung geben und motivieren soll und nach außen (Öffentlichkeit, Kundschaft) deutlich macht, für welche Ziele und Inhalte eine Organisation steht. In der Regel ist die Erarbeitung eines Leitbilds ein längerer Prozess, an dem Mitarbeitende aus möglichst vielen Bereichen und Ebenen einer Organisation beteiligt werden sollten. Das Marketingkonzept muss sich innerhalb dieses Leitbilds bewegen, denn es ist die Grundlage für das Handeln und die Kommunikation nach innen und außen.

2. Umfeld und eigene Position analysieren
Um Ihre Stellung im Markt beurteilen zu können, benötigen Sie Daten zu Ihrem gesellschaftlichen Umfeld, zu Mitbewerbern und Ihren Zielgruppen. Hier zeigen sich Chancen und Risiken für Ihre Organisation, auf die Sie in Ihrer Strategie auf jeden Fall eingehen sollten. Stützen Sie sich bei Ihrer internen Analyse auf Ihr Leitbild, beschreiben Sie Ihre Leistungen und Preise und analysieren Sie eigene Stärken und Schwächen. Dies hilft Ihnen bei der Festlegung von Arbeitsschwerpunkten oder zeigt, wo Sie Ihr Angebot vielleicht noch abändern sollten. Mit einer Stakeholder-Analyse verschaffen Sie sich einen Überblick über alle für Ihre Organisation relevanten Gruppen und Einzelpersonen. Doch erarbeiten Sie diese nicht allein. Binden Sie möglichst viele und unterschiedliche Personen, die Ihrer Organisation nahestehen, z.B. in Form eines Workshops ein. Identifizieren Sie alle Stakeholder, von denen Ihr langfristiges Fortbestehen abhängt – positiv wie negativ. Danach priorisieren und klassifizieren Sie anhand der Funktionen, z.B. nach Art der Beziehung, hemmend oder fördernd für Ihre Organisation, nach potenziellen Spendern und Unterstützerinnen usw. Versuchen Sie die Motive und die Erwartungen der einzelnen Stakeholder in Bezug auf Ihre Organisation zu verstehen. Dann können Sie im nächsten Schritt strategische Schlüsse daraus ziehen.

3. Ziele festlegen und den Weg dorthin strategisch begründen
Ist Ihre Informationsbasis ausreichend groß, erarbeiten Sie die Strategie: Welche Ziele setzen Sie sich und welche Zielgruppen betreffen die einzelnen Ziele? Wie positionieren Sie sich im „Markt“? Was sind Eckpfeiler Ihrer Kommunikation? Setzen Sie z.B. eher auf den persönlichen Kontakt oder nimmt das Internet für Sie eine wichtige Rolle ein? Beantworten Sie z.B. folgende Fragen: Wie motivieren Sie Ihre Unterstützerinnen und Unterstützer zu Aktionen oder Veranstaltungen? Welche Finanzierungsmöglichkeiten streben Sie an? Wie wollen Sie Ihr Projekt ausweiten, damit es mehr Menschen zugute kommt? Welche Unterstützung erhalten Sie aus Politik, Verwaltung oder Stiftungen? Streben Sie Qualitätssiegel an? Wie erreichen Sie jüngere Zielgruppen? Legen Sie Schwerpunkte fest und setzen Sie Prioritäten, denn nur so kann Ihre Strategie als roter Faden für die weitere Arbeit dienen. 

4. Maßnahmen planen und realisieren
Jetzt wird es konkret: Bringen Sie Ihre Maßnahmen in einen Zeitplan und legen Sie fest, welche Ressourcen Sie für die Realisierung benötigen. Sind personelle und finanzielle Ressourcen ausreichend für die anfallenden Aufgaben? Falls nicht, müssen Sie umdisponieren und überlegen, an welchen Schrauben Sie drehen können. Ist es möglich, Aufgaben anders zu verteilen, Dienstleistende mit ins Boot zu holen oder benötigen Sie einfach mehr Geld? Dann brauchen Sie wiederum mehr Ressourcen für das Fundraising. In der Realisierungsphase ist es sinnvoll, klare Zuständigkeiten für Projektkoordination und andere anfallenden Aufgaben zu verteilen, um ein professionelles und reibungsloses Arbeiten zu ermöglichen.

5. Ergebnisse evaluieren
Sind Sie zufrieden mit Ihren Ergebnissen? Konnten Sie Ihre Ziele erreichen? Wie steht Ihre Organisation im Markt? Doch auch, wenn einige Maßnahmen nicht den erhofften Erfolg gebracht haben, Sie haben mit der Realisierung Ihrer Marketingmaßnahmen eine Menge wertvoller Erfahrungen gemacht. Diese kommen Ihnen jetzt zugute, wenn Sie sich Ihre Marketingkonzeption wieder vornehmen. Denn nach der Evaluation beginnt der Kreis wieder von vorn mit dem Leitbild. Hat sich Ihr Leitbild in der Realität bewährt? Konnten Sie (einige) Ideen umsetzen? Oder müssen Sie Änderungen vornehmen, weil Sie z.B. gewisse Rahmenbedingungen nun anders bewerten? Dann sollten Sie das Leitbild erneut mit möglichst vielen Personen Ihrer Organisation diskutieren.

10 Tipps aus der Praxis:

  • Einfach anfangen! Konzepte zu erstellen schreckt viele Menschen ab, auch hier gibt es das berühmte weiße Blatt. Machen Sie es nicht allein am Schreibtisch, sondern binden Sie andere Menschen mit ein. Das Konzept wird besser und Ihnen fällt es leichter. 
  • Positionierung und Mission sonnenklar beschreiben! Sie müssen so überzeugend sein, dass Sie Herz und Kopf von potenziellen Unterstützern gewinnen können. 
  • Gönnen Sie sich ein unverwechselbares Corporate Design! Die meisten Menschen reagieren stark auf visuelle Reize. Eine schöne Gestaltung kann positive Gefühle auslösen und wird Ihnen nur nutzen. Fragen Sie nach Empfehlungen für Grafikbüros oder Werbeagenturen. Vielleicht gibt es einige Leistungen pro bono. 
  • Überprüfen Sie Ihren Kommunikationsstil! Kommunizieren Sie zeitgemäß und zielgruppengerecht. Welche Kommunikationsformen passen am besten zu Ihnen? Passiert bei Ihnen viel online – ist Social Media für Sie ein Thema? 
  • Lieber klein und übersichtlich starten! Machen Sie es nicht zu kompliziert, indem Sie versuchen, ALLES in das Konzept einzubringen. Konzentrieren Sie sich auf die wichtigsten Ziele und die besten Ideen. Denken Sie an Ihre Ressourcen. 
  • Trotzdem: große Ideen nicht zu schnell begraben! Oft ist die Realisierung einer großen Idee mehr wert als viele kleine Maßnahmen. Holen Sie sich Feedback von außen und wägen Sie ab. 
  • Überspringen Sie die Formulierung der Ziele nicht! Wenn Sie hierbei nachlässig sind, rächt sich das im weiteren Verlauf nachhaltig, da nichts mehr zueinander passen will und man die Orientierung verliert. Sind Ihre Ziele SMART (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert)? 
  • Gehen Sie auf Ihre Zielgruppen und Stakeholder zu und fragen Sie viel! Versuchen Sie immer, ein richtiges „Gefühl“ dafür zu haben, wie Ihr Angebot ankommt und was es bei Ihrem Gegenüber auslöst. Damit sparen Sie sich möglicherweise aufwendige Recherchen und Fragebogenaktionen und Sie können so Krisen vorbeugen. 
  • Setzen Sie sich nicht „zur Ruhe“, sobald Ihr Angebot einmal steht! Öffnen Sie Ihren Blick für Innovationen. Nur, wenn Ihr Angebot tatsächlich nachgefragt wird, ist Ihre Position im Markt sicher. Ist dies nicht der Fall, nützt Ihnen auch keine noch so gute Werbekampagne.
  • Feiern Sie Ihre Erfolge! Nichts motiviert mehr, als erfolgreich zu sein. Lassen Sie Ihre festen Mitarbeitenden, Ehrenamtliche, Spenderinnen, Leistungsempfänger und andere Interessierte an Ihren Erfolgen teilhaben. Und genießen Sie das gute Gefühl.

Aktueller Stand: 2022 (erschienen 2011)

Zur Autorin

Ute Vöcking

Ute Vöcking ist beim Kinderschutzbund Stormarn für Marketing und Kommunikation zuständig. Daneben berät sie als Selbständige Organisationen in diesem Themenfeld. Weitere Stationen waren zuvor die Evangelische Stiftung Alsterdorf, das Universitätskrankenhaus Eppendorf in Hamburg sowie die Agentur neues handeln in Köln. Dort leitete sie verschiedene Projekte für das Bundesfamilienministerium und bearbeitete intensiv die Themen Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Kinderrechte und Frauen in der Wirtschaft. 2011 war sie als Coach für startsocial tätig.

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